Entwicklung. Lernen jenseits von Wissen.
Zukunftsfähigkeit wird in der Sprache der Wirtschaft meist mit Technologie, Effizienz oder Innovation in Verbindung gebracht. Doch wer genauer hinschaut, sieht, dass alles abstrakt oder oberflächlich bleibt, solange eines fehlt – die Fähigkeit zu lernen. Lernen, aber nicht verstanden als das Ansammeln von Fachwissen oder das Aneignen neuer Methoden. Sondern Lernen als ästhetischer Prozess, als Spiegel der eigenen Identität. What? Ja, genau. Lernen als innere Arbeit.
Erstaunlich oft glauben gerade diejenigen, die an der Spitze von Unternehmen stehen, bereits angekommen zu sein. „Ich kenne das Spiel, ich habe die Erfahrung, ich weiß, wie es geht.“ Sie haben bereits etliche Kämpfe hinter sich und schon einige Meisterstücke vollbracht. Und das ist wertvoll. Doch dieser Wert verführt manchmal zu sagen “ich bin fertig mit mir”. Ein gefährlicher Irrtum. Denn nichts ist trügerischer als das Gefühl, schon alles gesehen zu haben.
Lernen bedeutet in Wahrheit, die eigenen Gewissheiten zu hinterfragen, die eigene Identität immer wieder zu ergründen, sich anregen zu lassen – von sich selbst, vom eigenen Denken, vom Spiegel, den die Welt einem hinhält. In aller Großzügigkeit, Wertschätzung und Faszination.
Ein lernender Mensch wächst nicht, weil er Wissen anhäuft oder Status, sondern weil er ergründet. Und keine Frage innere Arbeit ist anstrengend, hart und verwirrend. Ja, Fuck it – innere Art bringt einen zum schwitzen! Aber Menschen, die dort anfangen: in ihrem Kern, in ihrer Persönlichkeit und die immer noch eine Stufe tiefer gehen, wachsen. Und entdecken Facetten, die sich bislang wohlmöglich nicht gezeigt haben: Mut, Stolz, Verletzlichkeit, Eigensinn.
Und was hat das nun bitte mit Ästhetik zu tun? Und warum ist das jetzt so wichtig?
Einerseits geht es um bewusstes Wahrnehmen. Das Hinhören, Hinsehen und Lernen über sich selbst, das Leben und die Welt beginnt mit Beobachtung und hochkonzentrierter Aufnahme von Reizen und Informationen. Daten, die nicht 0 und 1 sind, sondern pure Emotionen.
Und dieses innere Wachstum prägt nicht nur das Denken, sondern auch die äußere Erscheinung: die Körperhaltung, die Stimme, die Sprache, die Art zu entscheiden. Identität zeigt sich in Gestalt – und Gestalt ist nichts anderes als gelebte Ästhetik.
Wenn an der Spitze eines Unternehmens eine solche Haltung lebendig wird, dann verändert sie das große Ganze. Lernen wird ansteckend. Es wandert in die Organisation hinein, es formt die Atmosphäre, es schafft Vertrauen. Und plötzlich ist klar: Auch das Unternehmen selbst braucht Bildung. Nicht als Schlagwort, sondern als konkrete Aufgabe.
Dazu gehört finanzielle Bildung – damit jeder im Haus versteht, was es heißt, mit Soll und Haben verantwortungsvoll umzugehen.
Dazu gehört juristische Bildung – nicht um Paragrafen zu rezitieren, sondern um ein Gefühl für rechtliche Zusammenhänge zu entwickeln, das Sorgfalt und Respekt nährt.
Dazu gehört soziale Bildung – weil ein Unternehmen nur so stark ist, wie es in Konflikten verlässlich bleibt und sich als System versteht.
Dazu gehört kommunikative Bildung – weil jeder seine eigene Wirklichkeit und Wahrheit hat und wir methodisch lernen können uns dennoch zu verständigen.
Und schließlich unternehmerische Bildung – nicht als Lippenbekenntnis, sondern als echte Mündigkeit: das Wissen, wofür man steht, wozu man fähig ist, und ebenso, was man bewusst nicht will.
Damit das gelingen kann, braucht es zuerst die Bereitschaft der Führenden, sich selbst zu bilden. Jeden Tag, nicht in Seminaren oder Wochenendformaten, sondern in der stillen lauten Arbeit an sich selbst. Im Beobachten, im Reflektieren, im Anerkennen, im Hinterfragen, im Fühlen. Dieses Lernen ist kein Pflichtprogramm, sondern ein Genuss, eine leise Freude am Entdecken. Wer sich so begegnet, strahlt es aus – und das Unternehmen wird zum Spiegel dieser inneren Ordnung.
So entsteht Zukunftsfähigkeit. Eben nicht aus Kalkül, sondern aus Identität und Ästhetik. Denn ein Unternehmen, das gelernt hat zu lernen, wird nicht nur klug – es wirkt stimmig, lebendig und wunderschön erfolgreich.
Aller Anfang ist schwer. Und doch beginnt alles immer mit Fragen. Fragen bei sich selbst, bei niemanden anderen. Fragen, die nicht sofort beantwortet werden müssen. Sie wirken schon allein, weil sie formuliert wurden – unterbewusst und in gesunder Geschwindigkeit.
Was bedeutet Zukunftsfähigkeit für mein Unternehmen jenseits von Strategie und Effizienz – und welche Rolle spiele ich dabei als lernende Führungspersönlichkeit?
Wo in meinem Unternehmen verhindere ich durch meine Gewissheiten Entwicklung? Ja, genau. In dieser Härte. Aber eben auch in dieser Ehrlichkeit.
Wie sehr kenne ich meine eigene Identität – und kann ich sie formulieren? Und ebenso die Identität meines Unternehmens?