Values. Wenn sich Wert nicht nur in Worten zeigt.

Mission. Vision. Values.
So heißen sie, die Projekte, mit denen Unternehmen sich ihre Zukunft sichern wollen. Es klingt nach Entschlossenheit – und ist am Ende oft ein erstaunlich leerer Raum, gefüllt mit Folien, Zitaten und Statements, Leitbildern in Erwachsenensprache.
Alle wohlmeinend, alle glatt. So ähnlich, dass man sie kaum noch auseinanderhalten kann.

Die Führung will Zukunft gestalten, ja, Richtung geben.
Und doch: Da gibt es diese zwei Unternehmen aus vollkommen unterschiedlichen Branchen, beide mit Respekt, Vertrauen, Kundenorientierung – auf der Folie. Sicherlich nicht falsch, aber komplett austauschbar. Und das ist genau der Punkt: Wenn Worte austauschbar sind, sind sie leider kaum ein Ausdruck von Identität. Und kosten damit das Unternehmen unnötig Geld.

Aber schauen wir uns mal an, was da passiert ist:

Ein Unternehmen merkt, dass es Zeit ist die Kräfte zu bündeln, sich für die Zukunft zu wappnen und den Roten Faden für die Unternehmensführung zu benennen. Wörter wie Werte, Marke, Vision sind plötzlich im Gespräch. Und dann geht es, meist mit externen Beratungen und Agenturen, los.

Alle sind gespannt und aufgeregt.

Ein typisches Werteprojekt beinhaltet immer Workshops, Moderation, viele, viele Post-its, Brainstorming und rauchende Köpfe.
Das Ergebnis: eine PowerPoint voller wichtiger Sätze. Wirklich. Dann kommt noch die Visualisierung, interne Kommunikation, vielleicht eine kleine Veranstaltung – et voilà. So glauben viele, der Prozess sei abgeschlossen. Anstrengend genug war er ja.

Und doch wird das irgendwie nix. Das Feuer in der Belegschaft bleibt aus, der Alltag braucht Entscheidungen und dabei vergisst man schnell die Rückkopplung zur schwer erarbeiten Wertebasis. Monate vergehen und der Claim hängt noch in den Köpfen, aber im Unternehmen selbst, finden sich weiterhin Fragmente, Frust und Fragezeichen.

Was wenn es anders geht? Leichter? Faszinierender? Und am Ende stimmiger?

Identität lesen statt Werte definieren

Bevor Werte formuliert werden, bevor verbindliche Wörter ausgewählt werden, sollte man verstehen: Was ist eigentlich schon da? Was bedeutet dieses Unternehmen, wie spricht es, wie reagiert es unter Druck, welchen Fragen weicht es aus? Welche Geschichten erzählen die Wände ungefragt? Diese Fragen lassen sich nicht einfach mit Workshops beantworten, sondern mit Beobachtung, mit Gesprächen, mit Aufmerksamkeit.
Nicht: „Wir müssen neue Werte kreieren“, sondern: „Wir müssen sehen, was bereits wirkt.“

Werte mit Herkunft

Wenn ich die Sprache eines Unternehmens höre, fallen mir sofort Begriffe auf, die zur Marke, zum Umfeld, zur Geschichte passen. Wenn ich dafür einen Begriff wählen würde, dann keinen der üblichen Verdächtigen wie „Präzision“, „Offenheit“, „Innovation“, sondern etwas, das im Gewebe des Unternehmens sitzt – vielleicht leise, vielleicht sperrig, aber echt. Etwas, das zaghaft aber bestimmt zu mir kommt, gleich wenn ich zur Tür eintrete, wenn ich eine Betriebsführung erhalte und in die Räume blicken darf. Wenn ich die Gänge sehe, den Stolz in den Geschichten, die Umwege der Unternehmenshistorie, die kleinen Eigenheiten im Alltag.
Werte brauchen Herkunft. Sie brauchen eine Spur von dem, was war, von dem, was ist. Sonst bleiben sie Projektion – und Projektion lässt sich leicht collagieren, aber schwer leben.

Und dann gilt. es das einzufangen und zu formulieren. Ohne fette Workshops, sondern als Anamnese.

Schön und gut und wie geht es nach einem Markenprojekt dann endlich in die Implementierung?

Das Unsichtbare spürbar machen

Sprache allein reicht nicht. Räume, Atmosphäre, Materialität, Zeit – all das transportiert Werte mit. Wenn der Raum kalt ist, wenn Gespräche vage bleiben und die Ernsthaftigkeit der Markenführung ignoriert wird, dann spürt das Umfeld, dass das „Wertethema“ außen dran ist.
Die nonverbale Ebene ist mächtig. Sie spricht früher, lauter und ehrlicher als jedes Leitbild.

Werte als Praxis, nicht als Produkt

Wenn ich mit Unternehmen arbeite, stelle ich die Frage: „Zahlt das, was wir gerade tun, auf unsere Identität ein – oder zieht es davon ab?“
Diese Frage ist schlicht, aber wirkungsvoll. Weil sie Entscheidung und Werte verbindet. Ganz konkret – und zwar jeden Tag, in jeder einzelnen Aufgabe, in jedem Meeting, in dem Entscheidungen getroffen werden.
Werte sind nicht der Moment der Verkündung. Werte sind der Moment der Wiederholung – in minikleinen Alltagssituationen.

Raumgestaltung als Ausdruck von Unternehmenswerten und Identität

Vier Voraussetzungen, damit Werte wirklich wirken

Hier meine kleine, feine Orientierung — kurz, konkret und unmittelbar anwendbar.

1 Identität lesen, nicht erfinden

Beobachten Sie, was bereits existiert: welche Geschichten erzählt man in Meetings? Welche Rituale finden statt? Wer wird wofür gelobt? Was liegt da so vor Ihnen, wenn Sie jeden Morgen aufs Gelände kommen? Wie fühlt es sich an durch die Büros zu laufen?
Konkretes Vorgehen: Wahrnehmungs-Check mit dem Ergebnis eine knapp formulierte Bestandsaufnahme zu haben — die Identität, die tatsächlich da ist.

2 Eigensinnige Wörter — und vor allem Geschichten

Standardworte wie „Verantwortung“ oder „Offenheit“ sagen zu wenig. Naja, eigentlich sagen sie gar nichts. Finden Sie Begriffe, die zur Praxis passen — und erzählen Sie konkrete Anekdoten dazu. Werte werden lebendig durch Geschichten: eine kleine Episode reicht, die das Wort mit einem beobachtbaren Verhalten verknüpft.
Werkzeug: Story-Workshop — Mitarbeitende sammeln in 15 Minuten je 3 kurze Begebenheiten, die ein Wertverhalten zeigen. Das kann man auch als witziges Warm-up in internen Meetings etablieren.

3 Non-verbale Wertevermittlung — die Sinnlichkeit der Identität

Identität ist sinnlich: Raum, Material, Geruch, Licht, Sound, Oberflächen, Kleidung, Tischkultur. Non-verbale Signale prägen stärker als jede PowerPoint.
Praxisbeispiel: Wenn „Zuverlässigkeit“ ein Wert ist, ist es kontraproduktiv, wenn wichtige Unterlagen permanent verschwinden und Räume chaotisch sind. Also setzen Sie die Brille der neuen Mitarbeitenden auf und schauen Sie mal wo Anspruch und Alltag nicht so ganz die gleiche Geschichte erzählen.
Achso, noch ein Beispiel? Alle schreien nach Offenheit und verwenden dunkle Bilder, die exklusiv Attraktivität vermitteln sollen… Merken Sie was?

4 Das Gefühl kultivieren — über Sinneskanäle, Narrative und Entscheidungs-Abgleiche

Werte müssen regelmäßig geprüft und gepflegt werden. Führen Sie einfache Routinen ein:

  • Alltags-Check in Meetings: „Wie trägt diese Entscheidung zu unserem Wert X bei?“ Egal welche Entscheidung. Zahlt sie auf die Marke, auf das Besondere des Unternehmens ein? Wenn nicht, zurück auf Anfang. Wenn Sie jetzt einknicken und es wegargumentierend, auch für sich selbst, brauchen Sie sich in einem Jahr nicht wundern… Sorry not Sorry

  • Marken-Gespräche: nicht nur Ziele, auch “Was macht uns besonders”, “Was machen wir anders?” “Was durften wir wieder vom Unternehmen lernen?” “Was mag es gar nicht?”

  • Rituale: kurze, wiederkehrende Formate, die spielerisch das Wesen des Unternehmens bestärkt

  • Feedback-Loops: monatliche Mini-Dialoge mit Führungskräften, qualitative Resonanzberichte mit Schnittstellen-Personen, Story-Reporting mit den Azubis — überall im Unternehmen sorgen jeden einzelnen Tag Mitarbeitende dafür dass für oder gegen die spezifischen Werte gehandelt wird. Nicht aus Egoismus oder Ignoranz, sondern aus Menschlichkeit heraus und je kleinteiliger und wohlwollender Sie präsent steuern, desto konsistenter wird der ganze Spaß.



Erlangen Nürnberg Bamberg Workshop zu Markenidentität und gelebter Unternehmenskultur

Wenn ich das Wort „Werte“ höre, sehe ich nicht zuerst das Leitsatzblatt. Ich spüre das Wesen des Unternehmens, sehe es förmlich, wie es vor mir sitzt und mir etwas zuflüstert. Mal hibbelig und aufgeregt, mal skeptisch und zurückhaltend.
Das klingt verrückt – aber ich kann das Wertesystem des Unternehmens fühlen. Ich sehe einen Raum, ich höre ein Gespräch, ich spüre ein Zögern oder eine Klarheit.

Und wenn das gelingt, dann braucht man keine glatten Formulierungen mehr. Das Unternehmen zeigt sich – nicht als Vision oder Mission, sondern als einzigartige Kostbarkeit, die ihren ganz eigenen Weg in die Zukunft findet.

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