Gespür. Wenn es mehr braucht als gute Argumente.

Es gibt Entscheidungen, die man nicht nur denkt – man spürt sie. Im Körper. Im Raum. In der Atmosphäre eines Gesprächs, in der Haltung eines Teams, in der Art, wie sich eine Idee anfühlt, noch bevor sie in Worte gefasst ist.

Das ist kein Zauber, kein Bauchgefühl, keine Mystik. Es ist ein feines Zusammenspiel aus Erfahrung, Fachwissen, Intelligenz – und Körperlichkeit. Denn wer führt, führt nicht nur mit dem Kopf. Sondern mit dem ganzen System: mental, emotional, physisch.

Gespür ist Formempfinden.
Es ist das Bewusstsein dafür, wann etwas „sitzt“. Wann ein Prozess stimmig läuft, ein Konzept in sich rund ist, eine Entscheidung Gewicht hat – nicht nur auf dem Papier, sondern in der Realität.

Man erkennt es an Spannungen im Raum. An der Sprache von Körpern, am Rhythmus eines Teams, an der inneren Haltung, die sich auf die äußere Form überträgt. Gespür ist das, was uns wahrnehmen lässt, ob ein Unternehmen in sichstimmig ist – nicht nur strategisch, sondern strukturell, menschlich, kulturell.

Es entsteht, wenn Expertise auf Erfahrung, Intuition auf Sensibilität, und Körperwissen auf Gestaltungswille trifft.

Zahlen, Daten und logische Folgerichtigkeit? Können Maschinen besser. Auch Argumente lassen sich simulieren. Aber was kein Automat leisten kann: das feine Körperempfinden, das in Echtzeit Kontext wahrnimmt. Reibung. Stimmung. Widerstand. Resonanz. Vielleicht ist genau jetzt der Moment, in dem wir beginnen sollten, dieses Gespür wieder zu trainieren – und ernst zu nehmen.

Denn Formbewusstsein beginnt im Körper.
Körperliche Fitness, Schmerzempfinden, das Regulieren von Emotionen – all das gehört dazu. Wer führen will, braucht nicht nur Haltung im übertragenen Sinn, sondern buchstäblich: eine gespürte, gelebte Präsenz. Nur wer den eigenen Körper als Resonanzraum versteht, kann Form bewusst gestalten – in Teams, Prozessen, Entscheidungen.

Unternehmer und Unternehmerinnen wirken nicht allein durch Know-how oder Strategie. Sie wirken durch Ganzheit – wenn Kopf und Körper, Geist und Gestaltungskraft verbunden sind.
Nur dann entfaltet sich unternehmerisches Potenzial wirklich: nicht als Reaktion, sondern als Formgebung.

Doch wie lässt sich dieses Gespür im Alltag konkret stärken – mitten im Meeting, zwischen Mails, Entscheidungen und Deadlines?

Indem wir den Körper immer wieder bewusst zu Wort kommen lassen.
Etwa, indem man sich vor wichtigen Gesprächen kurz hinstellt, beide Füße fest am Boden verankert und für einen Moment in die Aufrichtung geht – nicht als Pose, sondern als Selbstverbindung. Oder durch bewusstes Atmen, bevor man auf eine schwierige Frage antwortet: ein Atemzug länger als gewohnt kann den Unterschied machen zwischen Reaktion und Klarheit.

Auch eine kurze Körperinventur zwischendurch wirkt Wunder: Wo halte ich gerade Spannung? Wo bin ich weich? Wo fließt Energie, wo stagniert sie? – Diese Fragen sind keine Esoterik, sondern helfen dabei, Haltung zu finden. Im Wortsinn.

Spaziergänge ohne Podcast. Ein Glas Wasser im Stehen, mit Blick aus dem Fenster. Eine offene Körperhaltung am Schreibtisch. Regelmäßiges Dehnen. Kleine Pausen, in denen man spürt, wie man eigentlich sitzt.

Körperwahrnehmung ist keine Freizeitdisziplin. Sie ist Teil verantwortungsvoller Führung.
Denn wer sich selbst nicht spürt, wird auch das, was im Unternehmen geschieht, nur oberflächlich erfassen.

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