Kreativität. Nicht nur nett, chaotisch und bunt.

“Aktivieren Sie Ihre Kreativität.”, “Malen Sie sich die Welt bunt!” No.
Leider haben es Begriffe wie kreativ oder Kreativität schwer ihr wahres Wesen zu zeigen. Werden Sie doch als Synonyme für Selbermachen, Basteln, bunt sein und chaotische Lebensweise zweckentfremdet. Dabei geht es nicht weniger als ums blanke Überleben.

“Oh, Du bist so kreativ” wird oftmals kommentiert, wenn Geschenke unüblich ausgewählt und eigensinnig verpackt wurden. Oder, wenn nicht die Standard-Deko aus dem Möbelladen gekauft und arrangiert ist. Ja, Kreativität hat ihren Reiz. Sie bündelt so herrlich viele Tabuthemen, die wir seit Jahren hegen und pflegen.

  1. Die Unperfektheit

    In einer Welt, in der alles sauber, rein, geordnet und standardisiert sein sollte, bricht die Kreativität die Regeln. Makel und unfertige Elemente werden ganz bewusst gewählt, ja inszeniert. Rauhe Möbel, Industrie-Chic, Prototypen. Alle zelebrieren Momente und Dinge, die verletzlich erscheinen, angreifbar, weil sie eben nicht komplett durchdacht, gleich und einheitlich geformt wurden.

  2. Die Unangepasstheit

    Die Schublade “Künstler” ist voll von “dagegen-Schildern”. Künstler:innen trotzen dem Mainstream, brechen Regeln und hinterfragen alles. Damit sind sie hochinteressant und leben die geheimem Sehnsüchte von allen anderen.

  3. Die Unüblichkeit

    Wilde Kombinationen und widersprüchliche Konstellationen regen an und regen auf und bringen dadurch Spannung in das Leben und in Auftritte auf der Welt.

  4. Die Unfähigkeit

    Bühne auf und los – egal, ob man es kann oder nicht. Fake it till you make it. Improvisieren gehört dazu und bringt Leichtigkeit und Witz in scheinbar ausweglose Situationen. Kreativ sein, heißt auch immer mutig sein zu können.

  5. Das Unfertige

    Wer sagt, dass das Bild fertig ist? Kreativität liebt Weiterentwicklungen, Wachstum und Veränderungen. Es gibt kein “ich bin fertig”.

Schön. Aber nein, es geht um viel viel mehr.

All diese Aspekte sind nett und führen zu Inspiration. Der wahre Charakter von Kreativität liegt jedoch viel tiefer. Kreativität ist eine schöpferische Kraft. Sie ist es, die Neues entstehen lässt. Ideen, Dinge, Verbindungen, die es vorher noch nie gab. Gedanken, die vorher noch nie gedacht wurden. Damit ist sie die Kraft, die unser Überleben sichert. Sie ist das einzige Instrument, das uns hilft, Komplexität zu begegnen. Denn ein “Weiter so wachsen” und ein “noch mehr vom Bisherigen” hat der Welt leider nicht so gut getan. Wirkliche Veränderungen sind durch kreative Köpfe und Gedanken möglich.

Wenn sie die Superpower der Menschheit ist, warum ist es dann rühmlicher, wenn man Controller:in wird als Künstler:in?

Warum lernen Kinder in der Schule, dass sie Kunst später nicht mehr brauchen werden, aber Mathematik? Und wo hört das eine auf und fängt das andere an?

“Ein jeder ist ein Künstler” meint Joseph Beuys und wir brauchen diese Haltung mehr denn je.

Möglicherweise liegt es am Begriff. Kreativ zu sein, macht verletzlich, denn es besteht eine Wahrscheinlichkeit des Fails. Man wird angreifbar, weil Kopf und Herz und Handwerk zusammenkommen und immer auch mindestens ein Funken Persönlichkeit offensichtlich wird. Den spürt man in einer Pivot-Tabelle nicht.

Wenn es dieser zu hohe Anspruch ist, dann sollten wir in den Unternehmen versuchen kreativ zu sein, ohne kreativ zu sein.

Wie gelingt das auf Knopfdruck?

  1. Setting: Schaffen Sie einen Raum, der nicht nur aalglatte Funktionsflächen oder schicke Polster hat. Begeben Sie sich in eine Werkstatt, ein Atelier, ein Studio und nehmen Sie wahr, wie der Tatendrang beginnt zu kribbeln.

  2. Materialien: Ermöglichen Sie Mitarbeitenden den Zugang zu unüblichen Materialien. Große Papiere, Staffeleien, fette Stifte, Pappen und Kartons. Die anfängliche Blockade wird aufgehoben und aktives Überlegen, Tüfteln und konzentriertes Arbeiten werden offensichtlich. Und nein, Post-its helfen nicht.

  3. Techniken: Natürlich geht alles digital. Aber manchmal sind Zettel und Stift hilfreicher. Warum? Weil sie die kognitiven Fähigkeiten mit feinmotorischen Fertigkeiten verbinden und der Mensch schneller unübliche Gedankenwege geht. Weil mit Zettel und Stift der Modus des Skizzierens angeworfen wird und eine unmittelbare Berührung stattfindet. Sinnliche Aktivierung ist hier das Stichwort.

  4. Humor: Im Ernst? Ja! Humor kann nur entstehen, wenn man in die Reflexion gegangen ist. Und die ist elementar, um Lösungen zu finden, die neu sind. Zudem sorgt Humor dafür Unperfektheit auszuhalten, Verletzlichkeit abzuschwächen und mit Abstand auf das Problem zu schauen.

Das verbindende Element ist Mut. Mut sich die Hände zu beklecksen, Mut loszuhaken, Mut etwas auszuprobieren und Mut vielleicht zu versagen. Aber auch Mut, um etwas Großartiges zu schaffen.

Wo wären wir, wenn Tüfteln, Experimentieren und Ausprobieren keinen Wert mehr haben? Wir wären bei nett, bunt und chaotisch. Mehr nicht.

Das mit der Kreativität im Unternehmen wäre schon spannend für Sie, aber so richtig trauen Sie sich nicht? Hervorragend. Schreiben Sie mir und wir finden ein weißes Blatt Papier.

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Essenz. Warum der Eigensinn eines Unternehmens so wertvoll ist.

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Ordnung. Wie wertvoll ein klarer Blick auf die Dinge ist.