egal. Oder auch ein anderes Wort für “Gift”

Wer mich kennt, weiß, dass ich es liebe Bücher zu suchen und zu finden, zu lesen und sie als Wegbegleiter durchs Leben wertzuschätzen. Die Momente, in denen ein Satz oder ein Wort etwas so treffend beschreibt, dass man es förmlich greifen kann, sind unbezahlbar. Sprachwitz, unübliche Formulierungen und Wörter, die heute im Alltag nur noch selten zu finden sind, haben es mir angetan.

Vor einiger Zeit habe ich wieder einmal so ein entzückendes Buch gefunden. Die Autorin schafft es mit einem charmanten Stil die Gegebenheiten des Geschäftslebens sprachlich einzufangen. Und violá schon fand ich eine Kostbarkeit: „gedankenlose Mittelmäßigkeit“

Doch gehen wir einen Schritt zurück zum Thema. Ich habe in meinem Berufsleben immer wieder Diskussionen geführt, wenn mein Gegenüber meinte, ich sei zu pingelig. Ein Kollege, der meinte, dass es doch egal sei, ob er jetzt mit dem Notizblock – das Werbegeschenk eines Lieferanten – zu den Kunden geht. Eine Geschäftspartnerin, die mit ihrer kaputten Reisetasche beim Kunden eintrifft und überzeugt ist, dass das egal sei – Hauptsache die inneren Werte zählen.

Rechtschreibfehler in einer E-Mail. Ein abgegriffener Seifenspender, der nur so vor Benutzung strotzt. Ein Eingangsbereich mit vertrockneten Blumen. Verstaubte Regale. Zerknitterte Schilder. Bürostühle und -tische, die nicht zusammenpassen. Eine handschriftliche Aufforderung in einem eleganten Hotel. Egal.

Es ist eben nicht egal.

Mit all den kleinen Details treffen Unternehmensvertreter:innen eine wichtige, nonverbale Aussage über das Unternehmen und die Marke. Sie entscheiden darüber wie andere ihren Wert wahrnehmen und wie er vermittelt wird.

Zielt das auf Perfektionismus ab? Vielleicht. Auf jeden Fall auf Achtsamkeit.

Wie wirke ich? Wie wirkt das Unternehmen? Was kommt bei meinem Gegenüber an? Unterschätzen Sie nicht die kleinen Details und verabschieden Sie sich nicht von einem hohen Anspruch an Stil und Anstand. Denn das führt zu Mittelmäßigkeit. Eine Krankheit, die entweder durch mehrmaliges Nachjustieren behandelt werden kann – und die Ressourcen frisst. Oder, die – unbehandelt – zu Willkür führt und dann recht schnell die Frage aufkommen lässt „Warum brauchen wir die Marke überhaupt?“ „Warum braucht es das Unternehmen nochmal?“ bis hin zu „Können die das wirklich gut?“

Mittelmäßigkeit führt in ein nebeliges Grau, in dem sich kaum ein Kunde zurechtfindet. Egal-Entscheidungen führen zu Lustlosigkeit, Pessimismus und Willkür. Aus dieser unklaren undefinierten Sphäre wieder herauszukommen, kostet enorm viel Kraft, Geld und verbrennt Ressourcen.

Nicht alles kann immer großartig und einzigartig sein und niemand ist perfekt. Manchmal ist der Standard wirtschaftlich die beste und passende Lösung. Manchmal ist es ein Versehen und das ist menschlich. (Meine Rechtschreibfehler machen mich wahnsinnig.) Deshalb ist es wichtig, dass Mitarbeiter:innen, Führungskräfte und Geschäftsführer:innen sich immer wieder den Kern ihrer Marke, die Werte ihres Unternehmens bewusst machen und reflektieren, ob sie in ihrem Alltag danach handeln und sich verhalten. Denn diese Werte, dieser Unternehmens-Eigensinn bewahrt sie vor – und nun kommt meine Kostbarkeit – „gedankenloser Mittelmäßigkeit“. Wunderbar, oder?

Doch welches Mittel hilft nun dagegen?

Bewusste Wahrnehmung und ästhetische Prinzipien.

  • Gehen Sie regelmäßig durch Ihre Arbeitsumgebung und versuchen Sie bewusst hinzusehen. Achten Sie gezielt auf Details.

  • Überlegen Sie ganz gezielt, wo in Ihrem Unternehmen “egal” Knotenpunkte sein könnten. Wo bewegen Sie und Ihre Mitarbeitenden sich “gedankenverloren”?

  • Nutzen Sie neue Mitarbeiter:innen, die noch keinen geformten Blicken haben und lauschen Sie deren Einschätzung.

  • Partizipieren Sie von meinen Sinnen und meiner Wahrnehmung. Schreiben Sie mir und wir finden einen Weg wie ich auf Ihr Unternehmen blicken kann. Was mir auffällt und wo sich eine Diskrepanz zwischen Markenkern und Erscheinungsbild auftut.

#itsallaboutthedetails

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Back to business. Oder auch: Markenführung ist geschmacklos.

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Synästhesie. Oder wie Wahrnehmung eine Superkraft sein kann.